Der Diversity, Equity & Inclusion Podcast von BeyondGenderAgenda
DRIVING CHANGE
Der Diversity Podcast von BeyondGenderAgenda
Gemeinsam mit ihren Gäst: innen setzt CEO und Gründerin Victoria Wagner die Themen Diversity, Equity und Inclusion (DE&I) auf die Agenda der deutschen Wirtschaft. DE&I bezogene Fragen und aktuelle Ereignisse werden erörtert und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Durch das Teilen persönlicher Erfahrungen und konkreter Lösungsansätze wird ein Beitrag zu einer diverseren und inklusiveren Wirtschaft geleistet.
Gemeinsam mit ihren Gäst: 09.09.21 EPISODE MIT ASTRID ARNDT – ZALANDO SE
Astrid: Wir haben jetzt in diesem Jahr eine Strategie publiziert, die uns letztlich nochmal damit verbindet, was eigentlich unsere Unternehmensstrategie per se ist. Nämlich, wir nennen das „to be the starting point for fashion“, also die erste Anlaufstelle für Mode zu sein. Und wenn man das mal durchdenkt, dann bedeutet das, dass wir alle ansprechen wollen. Und alleine das ist eigentlich ein Auftrag, ein vielseitiges Sortiment anzubieten für Kundi:nnen und ein inklusives Einkaufserlebnis zu schaffen. Wir haben es nicht nur als Auftrag verstanden, für unsere Mitarbeiter:innen ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen und bessere Entscheidungen zu treffen, weil wir diverse Strukturen haben. Sondern eben auch, mit unserem Auftrag und mit unserem Selbstverständnis als Unternehmen verbunden, was wir für unsere Kund:innen leisten wollen.
Vicky: Hallo und herzlich willkommen zu DRIVING CHANGE dem Diversity-Podcast. Ich bin Vicky Wagner, Gründerin und CEO von BeyondGenderAgenda und spreche mit meinen Gäst:innen darüber, was wir gemeinsam tun können, um die Themen Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion auf die Agenda der deutschen Wirtschaft zu setzen. Meine heutige Gesprächspartnerin ist Astrid Arndt. Sie ist seit kurzem Chief People Officer bei Zalando SE und damit die erste Frau im Vorstand des Onlineversandhauses. Schön, dass du da bist, liebe Astrid. Ich denke, es wäre super, wenn du dich erst mal mit eigenen Worten unseren Hörer:innen vorstellen könntest.
Astrid: Ja, erstmal vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier zu sein. Ich bin Astrid Arndt und wie du gesagt hast, ich lebe in Berlin - auch sehr gerne. Wir sprechen heute über Vielfalt und ich finde, das ist auch eine Stadt, die das sehr ausstrahlt und in der ich das sehr schätze. Ich bin seit dreieinhalb Jahren bei Zalando tätig und wie du schon gesagt hast, seit April als Chief People Officer im Vorstand zuständig für die Bereiche Mitarbeiter:innen, Organisation und Kultur. Und vielleicht auch, um so einen kleinen Ausblick in Richtung Vielfalt zu geben: Was ich an Zalando von Anfang an ganz spannend fand, war, dass wir ein Modeunternehmen sind; wir sind ein Technologieunternehmen und ein Logistikunternehmen. Also allein schon von der Vielfalt der Talentsegmente, die zusammenkommen, natürlich spannend als Personalerin und für mich eine tolle Herausforderung und Chance.
Vicky: Ja, super. Und da wollen wir natürlich noch viel mehr zu hören und erfahren. Und vielleicht starten wir mal tatsächlich mit unserem Herzensthema, DE&I. Du setzt dich ja auch für diese Themen bei Zalando ein. Also qua Funktion, aber wie du auch erzählt hast, aus Überzeugung. Woher kommt deine persönliche Motivation, dich für Diversität stark zu machen?
Astrid: Es ist in der Tat etwas, was mich auch unabhängig von der Rolle schon sehr lange beschäftigt und dann in unterschiedlichen beruflichen Stationen. Aber wenn ich darf, würde ich gerne drei Aspekte kurz erwähnen: Der Erste, ich komme aus einer kleinen Stadt in Norddeutschland und von klein auf – und das ist sicher auch sehr durch meine Eltern geprägt, die viel gereist sind – da hatte ich so eine unbändige Lust entwickelt an Neugierde auf die Welt, auf Menschen und ihre Geschichten. Das war etwas, was mich von klein auf sehr bewegt hat und war sicher auch der Schlüssel, warum ich letztlich im Personalbereich gelandet bin. Und auch heute finde ich das ganz spannend. Ich habe dann später im Job festgestellt, dass es nicht nur einfach spannend ist, sondern auch zu besseren Entscheidungen führt, wenn unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen. Aber, dass es auch Arbeit kostet, diese Perspektiven wirklich nutzbar zu machen, da kommt der Inklusionsaspekt ins Spiel. Das Zweite und vielleicht noch prägendere; ich bin sicher im Vergleich in einem relativ privilegierten Umfeld aufgewachsen, aber ich bin Bildungsaufsteigerin. Und insofern eigentlich sehr früh schon sensibilisiert worden, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man Zugang hat. Sondern, dass es eben immer noch sehr stark von den Ausgangssituationen abhängt und vom Background. Sei es, welchen Zugang man zu Bildung bekommt, zu Karrieremöglichkeiten oder auch einfach zu einer Mietwohnung, wie wir immer noch sehen. Und diese Diskriminierung zu bekämpfen und gleiche Chancen herzustellen, das ist für mich ein sehr, sehr wesentlicher Antrieb für die Beschäftigung mit DE&I gewesen - von klein auf. Ich wollte erst mal Lehrerin werden, später bin ich dann in den Personalbereich gegangen. Aber das zieht sich bei mir so durch, dieser Equity Aspekt und ich finde es auch toll, dass ihr den so erwähnt. Und drittens, um eine Brücke zu Zalando zu schlagen: Für mich ist der Bereich Mode eigentlich eine besonders spannende Industrie mit dem Blick auf DE&I, weil Mode doch eigentlich die Ausdrucksform oder eine der wesentlichen Ausdrucksformen für uns als Individuen ist. Sie sollte eigentlich Möglichkeiten bieten, sich zu entfalten, ohne, dass man bewertet oder beurteilt wird. Und man sollte auch Zugang haben, zu allen Möglichkeiten. Und dennoch ist es immer noch, trotz aller Veränderungen, eine Industrie, ein Bereich, in dem wir noch starke Stereotypen sehen. Also Geschlechterstereotypen oder Körpermaße und so weiter - vielleicht kommen wir dazu im Laufe des Gesprächs noch. Aber ich finde das einfach eine spannende Frage, ein spannendes Umfeld, um sich zu fragen, was wir als Unternehmen dazu beitragen können, über unser eigenes Arbeitsumfeld hinaus, als Beitrag für diese Industrie und damit für das Erleben von uns allen als Nutznießer von Mode.
Vicky: Ja, vielen Dank für diesen ganz persönlichen Eindruck, wie das Thema sich auch bei dir entwickelt hat. Das ist tatsächlich immer auch ein Zyklus der Entwicklung, die man selber durchmacht. Das kenne ich auch gut. Und ja, du hast gesagt, du bist im Vorstand bei Zalando, einem der größten Onlineversandhändler der Welt. Und wir wollen natürlich auch darüber sprechen - nicht nur, warum Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion für dich persönlich einen Wert darstellt, sondern auch, wie der aktuelle Stand im Unternehmen ist. Ihr standet in der Vergangenheit so ein bisschen im Kreuzfeuer der Kritik. Man muss natürlich sagen, es wird auch immer sehr pauschal auf Unternehmen drauf geschaut. Da schaut man sich mal schnell den Vorstand an und stellt gleich alles in Frage, das kenne ich auch und bin ich kein Freund davon. Ich bin da immer für den tieferen Blick. Nun ja, so war es, aber es hat sich viel verändert. Und darüber wollen wir auch heute sprechen, was sich alles verändert hat und was ihr alles anstoßt. Deshalb würde mich erstmal interessieren, wo würdest du denn sagen, wo kommt ihr her und wo steht ihr vielleicht heute bei euren DE&I-Bemühungen von Zalando?
Astrid: Also erstmal sehr richtig, das hat sich definitiv über die Zeit entwickelt und wo wir aktuell stehen, ist das auch sicher nur ein Zwischenstand. Also wir betrachten uns wirklich auf einer Reise. Wir haben jetzt zuletzt ein bisschen stärker dazu kommuniziert, aber immer mit dem Versuch, zu signalisieren, „wir sind jetzt Teil des Lernprozesses und haben uns das vorgenommen“, aber sicher auch noch viel der Reise vor uns. Also es hat sich entwickelt. Wir sind 2008 gegründet worden. Insofern waren natürlich die ersten Jahre erst mal Start-up - da war ich auch noch nicht dabei. Aber ich glaube, da stand erstmal im Vordergrund, das Unternehmen zu entwickeln. Um vielleicht kurz ein paar Datenpunkte zu nennen: Wir sind fast 16.000 Mitarbeiter:innen, aktuell in 23 Ländern aktiv mit über 45 Millionen Kund:innen. Da hat sich jetzt auch eine Relevanz entwickelt um das Thema, DE&I. Übrigens würde ich sagen, sehr stark auch immer wieder durch die Initiative von Mitarbeiter:innen. Wir hatten dann über die Jahre eine Diversity Guilt als erste Interessenvertretung und heute stehen wir bei neun Employee Resource Groups. Also Interessen von unterschiedlichen Diversity-Aspekten von LGBTQ+ über Neurodiversität und Women-in-Tech und so weiter. Ich wollte nur betonen, dass es auch ein starkes Zeichen des Engagements unserer Mitarbeiter:innen ist. Insgesamt sind wir sicher auch – ich habe es anfangs angedeutet – zu einer sehr diversen Kultur gewachsen. Zum Beispiel haben wir 50 Prozent Frauen in der Mitarbeiterschaft, wir haben 50 Prozent internationale Talente. Jetzt aus einer deutschen Perspektive gesprochen. Was wir aber dann festgestellt haben, und das war vor einigen Jahren, ist, dass diese eben nicht gleichverteilt sind in den Ebenen - ja, du hast den Vorstand angesprochen – und auch nicht in allen Bereichen gleichermaßen. Und da haben wir dann schon realisiert, dass wir aktiver handeln müssen, auch als gesamtes Unternehmen und Leadership-Team. Da fing das an, das Thema Frauen war mir das Offensichtlichste. Deswegen haben wir angefangen, uns Gender-Diversity-Ziele zu setzen. Mittlerweile glaube ich, können wir ehrlich sagen, dass das Thema im Herzen des Unternehmens angekommen ist. Wir haben jetzt in diesem Jahr eine Strategie publiziert, die uns letztlich nochmal damit verbindet, was eigentlich unsere Unternehmensstrategie per se ist. Nämlich, wir nennen das „to be the starting point for fashion“, also die erste Anlaufstelle für Mode zu sein. Und wenn man das mal durchdenkt, dann bedeutet das, dass wir alle ansprechen wollen. Und alleine das ist eigentlich ein Auftrag, ein vielseitiges Sortiment anzubieten für Kund:innen und ein inklusives Einkaufserlebnis zu schaffen. Wir haben es nicht nur als Auftrag verstanden, für unsere Mitarbeiter:innen ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen und bessere Entscheidungen zu treffen, weil wir diverse Strukturen haben. Sondern eben auch, mit unserem Auftrag und mit unserem Selbstverständnis als Unternehmen verbunden, was wir für unsere Kund:innen leisten wollen. Und das glaube ich, war noch mal eine sehr schöner Strategieprozess, der sich in diesen verschiedenen Säulen darstellt: Sowohl sich zu kümmern, Stichwort Diversität und Inklusion bei uns als Unternehmen voranzutreiben, aber auch einen Beitrag zu leisten für die Industrie und das Kundenerlebnis zu stärken.
Vicky: Ja, du hast den Bericht gerade angesprochen, auf den wollte ich tatsächlich auch zu sprechen kommen, euer „do.BETTER“-Bericht. Der Name sagt ja schon so ein bisschen - die Ausgangsbasis war eine Basis, auf der man eine Verbesserung erreichen möchte. Und ihr habt tatsächlich gleich den großen Schritt gewagt und gesagt, wir erarbeiten das nicht im stillen Kämmerlein und versuchen dann erst mal, was so klappt und was nicht; sondern ihr habt gesagt, wir erarbeiten die Strategie und die wird publiziert und damit ist es schon ein Meilenstein, an dem wir uns messen lassen müssen. Ich habe das damals mit viel Interesse beobachtet, weil ich fand es zum einen einen sehr mutigen, klaren Schritt, aber natürlich ruft es auch immer wieder Kritiker auf den Plan. Auf der anderen Seite habt ihr jetzt eine klare Zielgerade. Wie würdest du denn sagen, waren die Reaktionen? Wie habt ihr das eingeschätzt? Und was heißt das jetzt für die weitere Entwicklung?
Astrid: Ja, also zunächst ist es glaube ich ganz typisch für uns, wie wir mit solchen Themen umgehen. Also wenn wir ein Problem oder ein Themenfeld für uns entdecken, dann gehen wir auch „All In“. Dann sagen wir, was wir für richtig halten, auch wenn wir da vielleicht noch nicht ganz sind. Wir definieren den Weg dorthin und geben darüber auch transparent Fortschritt bekannt. Das ist sicher ein Unternehmenswert, der sich auch durch andere Themen durchzieht. Nachhaltigkeit ist so ein ähnliches Thema, das uns gleichermaßen wichtig ist und auch eine Reise darstellt. Ich glaube, der Vorteil, damit sehr transparent umzugehen, ist sowohl intern als auch extern Leute mitzunehmen auf diese Reise. So ein Ziel vor Augen zu haben, hilft ja auch den Status quo besser einzuschätzen, Bemühungen zu wertschätzen, aber auch aufzuzeigen, wo wir noch nicht ganz da sind. Und das Feedback, vielleicht fange ich bei unseren Mitarbeiter:innen an, ist sehr positiv. Natürlich auch immer wieder eine Challenge. Es ist auch eine gemeinsame Initiative. Wir arbeiten hier wirklich sehr mit allen Unternehmensbereichen und allen Gruppen zusammen, also die ERGs, die ich schon erwähnt habe, sind eine große Hilfe, die Betriebsräte und viele Bereichsleiter und so weiter. Das ist eine große Initiative, die sich wirklich durch die Unternehmung zieht und insofern ist das Feedback sehr positiv. Aber klar, wir stehen auch noch da, wo wir stehen, und wir müssen uns jetzt messen lassen an dem, was wir erreichen und vorankommen. Von außen gab es auch viel gutes Feedback, wie du sagst, es wird immer wieder auf bestimmte Kennzahlen geguckt und die Vorstandszusammensetzung ist sicher eins der prominentesten Beispiele, aber wir hoffen, dass wir uns über die Zeit erarbeiten können, insgesamt dazu beizutragen. Und ich meine du vertritts hier BeyondGenderAgenda und es geht ja auch gar nicht darum, was wir allein als Unternehmen tun. Wir freuen uns auch über den Austausch mit anderen, wir freuen uns zu lernen von anderen und eben auch unsere Erfahrungen beizutragen und einzusteuern. Und gerade, wenn man auch über Gender-Diversity hinausschaut, glaube ich, ist das für viele Unternehmen - uns eingeschlossen - ein Lernprozess.
Vicky: Unbedingt. Das kann ich in jeglicher Hinsicht bestätigen. Das haben unsere aktuellen Studien und Indizes gezeigt. Selbst wenn wir jetzt nur den DAX 30 fokussieren, ist noch viel Luft nach oben. Also auch bei den Top-Drei-Platzierten und das muss man einfach sagen, sonst gäbe es ja auch gar nicht den Bedarf für eine Diversitätsinitiative wie BeyondGenderAgenda. Wenn die Mehrheit unserer Unternehmenslandschaft schon so weit wäre, Diversität über alle Dimensionen vernünftig zu verankern, dann bräuchte es uns nicht. Insofern ja, das muss man ganz klar sagen, alle Unternehmen in Deutschland sind auf einer Diversity-Journey. Du hast es eben auch so genannt, das ist auch das Wording, das wir benutzen. Und ja, jeder versucht einfach, trotz Regularien, die wir auch haben in Deutschland, wie den Datenschutz, der ja tatsächlich auch große Herausforderung darstellt, sich trotzdem über alle Diversitätsdimensionen der 100-Prozent-Marke anzunähern. Und da schätze ich eure Bemühungen sehr und euren Beitrag. Ich möchte trotzdem nochmal ein bisschen konkretisieren, weil ich habe gelesen und korrigiere mich, wenn ich da falsch liege: Ihr strebt einen Anteil Männer/Frauen 40/60 Prozent an, die nichtbinären Geschlechter habt ihr auch in eure Zielvorgaben miteingeschlossen. Wo steht ihr denn aktuell? Wenn man sich jetzt mal die einzelnen Hierarchieebenen, Positionen, das nennt ja jeder anders, anschaut?
Astrid: Ja, da muss ich dich noch ein bisschen um Geduld bitten. Wir werden jetzt im November unseren nächsten DE&I-Report berichten und dann auch unsere Zahlen offenlegen. Also wir haben gerade schon über eine Verbesserung gesprochen, nämlich auf Vorstandsebene. Insgesamt haben wir gute Fortschritte gemacht, auf den Ebenen etwas unterschiedlich. Aber insgesamt sind wir ganz zufrieden, auch in einzelnen Bereichen. Wir haben auch ein sehr ambitioniertes Ziel für Frauen in Technologie-Jobs. Da sehen wir auch gute Fortschritte, aber wie gesagt, mehr dazu dann gerne im November.
Vicky: Ja, da sind wir sehr gespannt! Aber du sagst, die Tendenz geht in die Richtung, die ihr euch vorgenommen habt?
Astrid: Ja, absolut. Wir haben ziemlich umfassende Initiativen gestartet, wenn wir jetzt alleine auf das Thema Gender gucken, hat das natürlich viel mit unseren Recruiting-Bemühungen zu tun. Das hat aber auch mit Folgendem viel zu tun - da kenne ich viele Unternehmen, die sich hier beteiligen – mit dem Toolkit, mit Mentoring, interne Prozesse anzuschauen und zu gucken, ob es irgendwo doch noch ein Unconscious Bias gibt oder Schwierigkeiten, oder wo wir einfach interne Möglichkeiten schaffen können. Wir sind eigentlich ganz zuversichtlich und insofern berichten wir gerne dann im November auch mehr Konkretes.
Vicky: Spannend! Und jetzt haben wir relativ viel über Gender gesprochen, aber du hast es eben auch selbst so in deiner Erklärung, deiner persönlichen Motivation schon angerissen. Es gibt viel mehr Dimensionen und du hast über Bildungsaufsteigertum gesprochen bzw. es gibt bildungsferne Haushalte und es ist ja tatsächlich - wir fassen diese Dimension unter dem Begriff Social Mobility zusammen - aber es ist ja genau dieses Thema, dass alle die gleichen Chancen bekommen. Auch vielleicht unabhängig einer elitären Ausbildung, sondern einfach, weil sie tatsächlich eine Expertise oder Skills mitbringen, die für ein Unternehmen wertvoll sind, als ein Beispiel. Aber was mich interessieren würde ist, welche Dimension habt ihr so im Fokus, oder fokussiert ihr euch jetzt im ersten Schritt auf Gender, weil - und das ist ja auch ein fairer Punkt, 50 Prozent der Menschheit sind Frauen. Also vielleicht muss man da tatsächlich anfangen, das machen ja viele so. Aber wie seht ihr die einzelnen Dimensionen? Habt ihr da eine Vorgehensweise, einen Plan, irgendwie eine Dimension im Fokus und wenn ja, welche?
Astrid: Ja, also vielen Dank für die Frage. Auch eine gute Diskussion, die wir intern immer wieder haben, weil damit zum einen der Anspruch besteht, den wir auch haben, Diversität wirklich umfassend zu adressieren in allen Dimensionen. Und zugleich muss man Initiativen machen, die dann vielleicht tatsächlich auf eine bestimmte Dimension besonders einzahlen. Und das ist immer eine Balance, die man finden muss. Wir versuchen es schon ziemlich umfassend anzugehen, auch intern. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Diversität in verschiedensten Dimensionen, also ohne, dass jetzt ganz konkret zu machen, zu verbessern, auch auf Führungsebenen. Wir denken sehr stark an Intersektionalität. Das ist ja auch ein Element, das man mitdenken muss, dass selbst wenn man jetzt über Frauen spricht oder über LGBT+ oder über ethnische Vielfalt, dass diese Dimension auch zusammentreffen können und dann ganz vielschichtige multiple Diskriminierungen möglicherweise zur Folge haben können. Und man da auch nicht in die Falle tappen darf, dass dann zu einseitig oder zu einfach zu betrachten. Das ist schon unser Anspruch, sowohl was unsere Mitarbeiterschaft angeht, als auch für unsere Kund:innen. Also wenn wir zum Beispiel über unseren Auftritt in unserem Webshop sprechen, über Models, über unser Sortiment, dann geht es zum Beispiel darum, andere Körpertypen zu zeigen, Gender, Fluidität. Also nicht so dieses ganz klassische „kaufst du jetzt für Männer oder Frauen ein“. Das versuchen wir ein bisschen aufzubrechen. Wir erweitern unser Sortiment auch zum Beispiel, um wirtschaftlich anderen Brands, also Markenpartner zu stärken. Wir haben eine Initiative, wo wir zum Beispiel 70 Black owned Brands auf unsere Seite bringen wollen, dass sie auch ihr Sortiment anbieten. Wir erweitern unser Sortiment in punkto Modest Fashion, also was religiöse und kulturelle Vielfalt angeht. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass wir intern ganz unterschiedliche Interessengruppen haben unserer Mitarbeiterschaft, die eben auch ganz unterschiedliche Dimensionen von Diversität abbilden. Wir versuchen es schon holistisch zu betrachten, dass Gender-Diversity-Target ist tatsächlich schon etwas älter und das war das, wo wir den dringendsten Handlungsbedarf gesehen haben und wo wir auch Daten hatten. Du hast es eben angesprochen. Wir sind auch gemeinsam mit unseren Teams dabei zu verstehen, wie können wir auch bei anderen Dimensionen besser verstehen, wie eigentlich die Situation ist und auch entsprechende Initiativen und Ziele definieren, aber das ist sicher noch ein größerer Teil der Journey.
Vicky: Ja, wunderbar, dass ihr das angeht. Du hast das Einkaufserlebnis angesprochen, was eine zentrale Rolle spielt und uns schon Ausblick gegeben, dass ihr auch versucht, Diversität in euren Marketingmaßnahmen zu transportieren, indem ihr eben unterschiedliche Models habt und eben ein bisschen diesen klassischen Splitt, Herren- und Damen-Kollektion aufbrechen wollt, wenn man das mal so traditionell formulieren darf. Wie kam das denn bei euren Kund:innen an? Also wie waren die Reaktionen der Verbraucher:innen? Das würde mich interessieren.
Astrid: Ja, ich glaube, ganz in jeden Kopf kann man nicht reingucken, aber unser Eindruck ist schon, dass es insgesamt sehr gut ankommt. Insbesondere auch auf unserer Website ganz unterschiedliche Models anzubieten. Diese Vielfalt, das entspricht, glaube ich, sehr gut dem allgemeinen Bedürfnis, nicht immer nur Mode repräsentiert zu sehen an schlanken, weißen oder großen Models. Das kennt vielleicht jede:r von uns. Und das kommt insgesamt sehr gut an. Wir hören natürlich immer wieder auch mal kritische Stimmen, aber ich glaube, das können wir auch aushalten. Das finden wir natürlich schade, weil wir ja an sich, wie ich auch sagte, inklusiv sein wollen und jede und jeden ansprechen wollen. Aber um eine unserer letzten Kampagnen zu zitieren „It is HERE TO STAY“. Ja, ich glaube, diese Vielfalt, ist schon das, was wir erreichen wollen und hoffen, da doch in den Dialog zu gehen mit unseren Kund:innen. Und wir hoffen, dass wir den Blickwinkel von vielen öffnen können.
Vicky: Ja, klingt spannend und ich freue mich, euch weiter sozusagen zu begleiten, zu beobachten als Konsumentin, aber natürlich auch einfach aus dem Interesse, aus der Thematik heraus. Und was mich jetzt zum Abschluss noch interessieren würde, liebe Astrid - und ja, du hast schon gesagt, die muss bis November warten, bis der Bericht erscheint und ich bin schon ganz gespannt, trotzdem glaube ich, dass das auch unsere Hörer:innen interessiert: Du bist jetzt die erste Vorständin im Zalando Vorstand. Das hat mich sehr gefreut, weil ich glaube, dass das einfach ein wichtiges Zeichen ist, dass man es ernst meint. Sind denn weitere „Fortschritte“ geplant? Kann man davon ausgehen, dass sich auch in der Vorstandsbesetzung in Zukunft noch etwas tun wird?
Astrid: Na ja, da kann ich glaube ich unsere bisherige Strategie zitieren, wo wir uns zum Ziel gesetzt haben, auf allen Führungsebenen inklusive Vorstand ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis herzustellen von Männern und Frauen. Und du hast non-binary schon erwähnt, aber das Geschlechterverhältnis von Frauen und Männern betrachten wir als ausgewogen, so im Korridor von 40 bis 60 Prozent. Und das gilt auch für den Vorstand. Wenn man rechnet, sind wir da noch nicht ganz da. Konkreteres kann ich aber noch nicht sagen, aber das Ziel ist da und sicher ist es etwas, wo wir uns mit meiner Besetzung noch nicht ganz zufriedengeben werden.
Vicky: Naja und das Wichtigste ist doch erstmal, dass man ein Ziel hat und an den Themen arbeitet. Also das freut mich sehr, ich bin gespannt. Wir werden es natürlich mitbeobachten und freuen uns natürlich auch über Fortschritte. Und vor allen Dingen auch, wie du es gesagt hast, Teilen von Erfahrungen. Das ist glaube ich das Wesentliche. Niemand muss den großen Sprung von 10 auf 1 von heute auf morgen schaffen, sondern wichtig ist, dass man miteinander lernt und, dass wir insgesamt in der deutschen Wirtschaft vorankommen. Und ja, damit sind wir leider schon am Ende unseres spannenden Gesprächs, ich habe mich sehr auf heute gefreut. Aber die letzte Frage, die obliegt dir, in der Rubrik AskMeAnything. Hast du denn irgendwas mitgebracht, irgendeine Frage, die du mir gerne heute stellen möchtest?
Astrid: Ja, gerne. Erst mal muss ich sagen tolle Idee und erinnert mich auch an ein Format, das wir haben. Wir nennen es „Ask us anything“ und Mitarbeiter:innen dürfen uns als Vorstände regelmäßig fragen. Und meine Frage bezieht sich eigentlich auf den Kern von BeyondGenderAgenda. Denn was mich von Anfang an bei euch sehr angesprochen hat, ist eben, dass ihr über das Thema Gender-Diversity - das die öffentliche Diskussion ja noch sehr beherrscht und das wir wahrscheinlich vergleichsweise gut verstanden haben, auch wenn noch ein langer Weg zu gehen ist, den Horizont öffnet. Und wir haben es eben schon kurz angesprochen, aber vielleicht magst du da nochmal deine Perspektive schildern. Wo siehst du uns da in der Wirtschaft, diesen holistischen Ansatz zu wählen und anderen Dimensionen von Diversity auf die Spur zu kommen?
Vicky: Ja, also es ist wie es ist. Ich bin immer absolut ehrlich. Ich denke momentan sind wir noch in den Anfängen und wie du es gerade selber in deiner Frageformulierung auch geschildert hast, die größte Not wird einfach bei der Dimension Gender empfunden. Was ich auch für gerechtfertigt halte, weil erstens ist das die Dimension, die schon am ältesten ist. Wenn man jetzt mal betrachtet, seit wann ein öffentlicher Diskurs, eine Debatte besteht, rund um die Thematik. Und wir haben natürlich einfach 50 Prozent der Menschheit, insofern ist der Druck da groß und wir haben inzwischen nicht mehr das Thema, dass bei den Geschlechtern Unterschiede herrschen von den Ausbildungsmöglichkeiten, etc. Die Möglichkeiten sind da, sie müssen nur ein bisschen besser verkauft und genutzt werden. Aber insofern ist der Druck in diesem Bereich einfach groß. Deshalb, ich bin ja viel im Austausch tatsächlich auch mit Vorständen führender deutscher Unternehmen und höre da schon sehr konkrete Zielformulierung. Die einen sind ein wenig vorsichtig und vage und gehen den Schritt, den sie erwarten, zu dem sie sowieso gesetzlich mit FüPoG II verpflichtet werden. Die anderen wagen sich etwas darüber hinaus. Das hängt natürlich stark von der jeweiligen Industrie ab, aber der Fokus liegt ganz klar auf Gender. Ich persönlich finde es bedauerlich, weil wir machen uns als Diversitätsinitiative dafür stark, dass es um den Menschen als Individuum geht und, dass letztendlich die Top-Talente unabhängig von ihrer Prägung die Top-Positionen in der deutschen Wirtschaft besetzen sollen. So, das ist mal das Ziel. Ich glaube, dass wir von der Mechanik auf dem Weg zu diesem Ziel uns durch Diversitätsdimensionen durcharbeiten müssen und ich habe die Hoffnung, dass das Thema Gender, vielleicht weil es eben schon so lange auf der Agenda steht und weil sie so viele konkrete Ziele gibt, als erstes zumindest in großen Teilen erledigt ist. Aber, wir sehen eben auch - wir haben eben darüber gesprochen - Social Mobility zum Beispiel, eine Diversitätsdimension, die wir vor zwei Jahren hier in unserem Raum noch nicht kannten. Es gibt auch neue Diversitätsdimensionen und irgendwann müssen wir dahin, was du auch geschildert hast, dass wir nicht mehr über Kategorien, Schubladen, Dimensionen sprechen. Ich glaube, das ist zu Beginn sehr wichtig, um sie sichtbar zu machen, weil Unternehmen, die nur sagen: „Naja, das Individuum zählt und das ist ja bei uns ganz klar“ und dann mit kulturellen Werten anfangen, die machen es sich ein bisschen einfach. Weil dann werden schnell Gruppen, Interessensgruppen, Minderheiten vergessen. Deshalb glaube ich, ist es wichtig, diese sichtbar zu machen. Und ich hoffe, wir werden uns durcharbeiten und noch zu meinen Lebzeiten zu dem Punkt kommen, dass wir sagen, Diversität ist nicht mehr eins unserer größten Probleme und kein Top-Drei-Thema mehr, sondern wir können uns anderen Themen widmen.
Astrid: Ja, sehr schön. Kann ich nur zustimmen und freue mich, dass ihr da einen Beitrag leistet und freue mich, dass wir hier im Austausch stehen und miteinander lernen dürfen.
Vicky: Ja, sehr gerne. Und wir sind wie gesagt ganz gespannt auf euren Bericht und wie es bei Zalando weitergeht. Ich danke dir sehr für deine Zeit und die ausführliche Auskunft, die du uns heute gegeben hast und freue mich auf eine Wiederholung. Liebe Astrid, ich wünsche dir noch einen schönen Tag und sage herzlichen Dank!
Astrid: Ich bedanke mich auch. Tschüss.
Vicky: Ich hoffe, euch hat diese Folge von DRIVING CHANGE, dem Diversity Podcast gefallen. Neue Folgen gibt es immer donnerstags und damit ihr keine Folge verpasst, abonniert uns gerne auf allen gängigen Podcast-Plattformen und folgt uns auf LinkedIn, Instagram und Twitter. Falls ihr Ideen habt, welche Gäst:innen ich einmal in unseren Podcast einladen soll, mach doch gerne einen Vorschlag. Ich freue mich darauf, und immer über euer Feedback, bis zum nächsten Mal. Eure Vicky.