Der Diversity, Equity & Inclusion Podcast von BeyondGenderAgenda
DRIVING CHANGE
Der Diversity Podcast von BeyondGenderAgenda
Gemeinsam mit ihren Gäst: innen setzt CEO und Gründerin Victoria Wagner die Themen Diversity, Equity und Inclusion (DE&I) auf die Agenda der deutschen Wirtschaft. DE&I bezogene Fragen und aktuelle Ereignisse werden erörtert und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Durch das Teilen persönlicher Erfahrungen und konkreter Lösungsansätze wird ein Beitrag zu einer diverseren und inklusiveren Wirtschaft geleistet.
Gemeinsam mit ihren Gäst: 14.04.2022 EPISODE MIT INSA THIELE-EICH – Meteorologin, Klimaforscherin und angehende Astronautin
Insa: Ich mache das nicht für Mädchen und Frauen. Natürlich bin ich als Frau vielleicht erst mal für die, erst mal ein naheliegendes Vorbild. Das wäre auch schön. Aber hauptsächlich hoffe ich auch, dass gerade auch Jungs und Männer auch inspiriert und animiert werden, vielleicht auch was gegen das Patriarchat zu tun. Dadurch, dass sie eben sehen, wie wir uns hier abkämpfen, um überhaupt mal die erste deutsche Frau ins All zu kriegen.
Vicky: Hallo und herzlich Willkommen zu Driving Change, dem Diversity Podcast. Ich bin Vicky Wagner, Gründerin und CEO von BeyondGenderAgenda und spreche mit meinen Gäst:innen darüber, was wir gemeinsam tun können, um die Themen Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion auf die Agenda der deutschen Wirtschaft zu setzen. Meine heutige Gesprächspartnerin ist Dr. Insa Thiele-Eich. Sie ist Meteorologin, Klimaforscherin und angehende Astronautin. Und damit nicht genug: Sie ist auch die erste deutsche Frau, die den Weg ins All wagt. Zusätzlich ist sie vor kurzem erneut Mutter geworden. Schön, dass du da bist, liebe Insa.
Insa: Ja, schön, dass ich da sein darf. Danke für die Einladung.
Vicky: Ja, ich freue mich sehr. Vielleicht starten wir damit, dass du dich noch an deinen eigenen Worten so ganz persönlich vorstellst und vielleicht auch den Fokus auf die Themen legst, die dir im Leben besonders wichtig sind.
Insa: Ja, tatsächlich war ja schon das meiste tatsächlich drin. Ich bin Meteorologin, Klimaforscherin oder ich habe zu den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels promoviert, 2017 und trainiere seit dem gleichen Jahr auch als angehende Astronautin bei einer Stiftung, die zum Ziel hat, die erste deutsche Frau auf die Internationale Raumstation zu bringen. Denn tatsächlich gab es bisher zwölf deutsche Männer im All oder auch 13. Je nachdem, wie man zählt, aber noch keine deutsche Frau. Und das ist in der Welt der Raumfahrt ein absoluter Einzelfall. Denn alle anderen Nationen, die schon mehr als drei Personen ins All geschickt haben, hatten natürlich selbstverständlich auch schon Frauen dabei. Teilweise schicken viele Nationen auch Frauen als erstes ins All. Aber in Deutschland halt eben noch nicht. Und deshalb bin ich da bei der Stiftung tatsächlich vielleicht auch das erste Mal so richtig mit dem Thema Feminismus und was das bedeutet, in Berührung gekommen und habe mich seitdem deshalb auch sehr damit auseinandergesetzt.
Vicky: Ja, das ist nachvollziehbar. Und wenn du uns das jetzt so drastisch sagst, ja, dass Deutschland eigentlich das einzige Land ist, was noch keine Frau als Astronautin losgeschickt hat und ins Weltall geschickt hat. Woran glaubst du, liegt das? Fangen wir doch damit mal an. Wir wissen insgesamt, dass Deutschland mit Diversität noch lange nicht so weit ist wie viele andere Nationen. Aber was ist so dein ganz persönlicher Eindruck, woran das eigentlich liegt?
Insa: Wahrscheinlich bräuchten wir dafür zwei Wochen, um das auseinander zu sezieren. Also ich weiß es tatsächlich nicht. Das ist eine gute Frage. Das ist natürlich sehr diffus und wahnsinnig vielschichtig. Ich glaube da erzähle ich allen Zuhörenden nichts Neues. Aber es ist tatsächlich in der Raumfahrt so, dass zum einen schon mal so, dass nicht sehr viele Menschen ins All fliegen. Das ist schon mal das erste, also dass es bisher ein wahnsinnig exklusiver Bereich, in dem vorrangig oder nahezu ausschließlich akademisierte Menschen hineinkommt, vorrangig Männer aus historischen Gründen, weil man zuerst Testpiloten genommen hat. Und da durften natürlich Frauen durften keine Testpiloten sein, demnach konnten sie auch einfach keine Astronautin werden. Und das hat sich mit der Zeit geändert. In Deutschland gab es auch tatsächlich in den Achtzigern ein sehr groß angelegtes Raumfahrtprogramm im Zuge der D1/D2 Missionen, in denen auch mein Vater mitgewirkt hat. Und Ende der 80er war auch geplant, die D3, D4 und D5 zu haben. Deswegen wurden fünf Menschen ausgewählt, drei Männer und zwei Frauen: Dr. Renate Brümmer und Dr. Heike Walpot. Und die beiden wurden auch ausgewählt, sind aber nicht für die erste Mission ausgewählt worden. Das anderen zwei Männer. Mein Vater war mit Renate Brümmer dann Ersatzpersonal am Boden und tatsächlich gab es dann auch nie wieder D3, D4 und D5. Diese Mission wurden eingestellt und demnach gab es dann auch keine Mission mehr für die Frauen. Woran das jetzt natürlich genau lag, das von fünf Personen, zwei Männer ausgewählt werden? Ich habe keine Ahnung. Ich war damals sechs Jahre alt, ich war nicht dabei. Ich war zwar dabei, aber ich war kognitiv nicht in der Lage, das zu verstehen und war auch sicherlich nicht Teil dieser Unterhaltungen. Und das ist eine Frage, die mich mehr und mehr umtreibt. Tatsächlich. Also war das jetzt halt einfach so, dass die zwei besser geeignet waren? Oder waren da nicht vielleicht auch einfach sexistische Strukturen im Spiel? Mein Bauchgefühl legt nahe, dass es letzteres leider sein muss. Also warum sollte es anders sein? Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Und es ist auch so, man braucht in der Raumfahrt einen unheimlich langen Atem. Ich habe mich 2016 beworben, bin 2017 als angehende Astronautin ausgewählt worden, trainiere seitdem und wir arbeiten sehr aktiv an der Finanzierung für unseren Flug. Aber es geht auch um viel Geld. 40 Millionen €, die so ein Start kostet. Und diesen langen Atem, das war zum Beispiel etwas, wo Renate und Heike damals, so wie ich das mitbekommen habe, die hatten tolle Karrieren, die hatten Ziele, wir hatten Pläne, die hatten Vorhaben. Und wenn man dann nicht genau weiß, klappt das jetzt hier oder klappt das nicht? Wenn ich jetzt noch fünf Jahre hier beim deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum auf der Bank sitze und warte mit einem Job, der nicht Astronautin ist, sondern etwas anderes, wo bin ich dann in fünf Jahren? Oder verfolge ich meine andere Karriere weiter, die mir ebenfalls Spaß macht? Und mein Vater hat von meiner Mutter quasi ein Veto bekommen und gesagt: Ich bin jetzt aus den USA für dich zurückgezogen mit vier Kindern. Jetzt ist mal Schluss. Jetzt bleiben wir mal hier und er hat es ausgesessen und hatte dann 2000 Erfolg, zwölf Jahre später. Da kann ich jetzt natürlich nicht sagen, was da genau im Spiel war. Aber das beleuchtet zumindest schonmal die Historie etwas genauer. Es war dann so, dass 2008 tatsächlich eine neue Auswahl gestartet wurde. Mein Vater ist ‘96 ins ESA Core übernommen worden und dann 2000 tatsächlich ins All geflogen. Und die nächste Auswahl war dann tatsächlich erst wieder 2008. Das ist ein sehr, sehr langer Zeitraum. Und ich wollte mich damals bewerben. Ich konnte nicht, denn ich war noch nicht qualifiziert genug. Aber tatsächlich haben sich sogar auch, ich glaube, es waren 300 Frauen - 300 deutsche Frauen haben sich damals auch beworben. Auch da kann ich nicht sagen, warum sie es nicht geschafft haben in den letzten Runden. Es war unter den letzten 100 keine deutsche Frau mehr dabei. Das liegt aber auch daran, wenn sich 8000 Europäerinnen und Europäer bewerben, dann wurde jetzt nicht aktiv ausselektiert à la „Deutsche Frauen nehmen wir auf keinen Fall“. Man kann über den ESA Auswahlprozess viel sagen. Es lief jetzt aktuell wieder ein neuer, 2021 wurde der gestartet. Da haben sich dann immerhin sogar schon 1000 deutsche Frauen beworben. Also statistisch sollte es eine durch schaffen. Aber auch da man kann es nicht sagen. Jetzt wird er natürlich ein sehr viel anderer Fokus drauf gelegt. Ich bin mir relativ sicher, dass eine es schaffen wird, weil es einfach den politischen Druck und die Notwendigkeit sehr stark gibt. Aber wenn man nur so eine kleine Stichprobe hat, ist das eine sehr schwere Frage, das kurz zu beantworten.
Vicky: Ja klar.
Insa: In jedem Fall wollten wir es ändern und deshalb wurde die Stiftung gegründet.
Vicky: Genau. Und lass uns doch mal auf die auf die Stiftung und auf die Initiative „Die Astronautinnen“ eingehen. Da wurdest Du ja ausgewählt, die erste Astronautin zu werden. Was hat bei dir eigentlich ausgelöst, dort mitzumachen? Weil es war ja eher ungewöhnlich, es ist seine private, eine Stiftungsinitiative. Es war keine staatliche im Weltall-Organisation sage ich jetzt mal. Woher kam es, dass du dich beworben hast und wie hast du diesen Prozess empfunden und wie hast du es dann in die letzte Runde geschafft?
Insa: Also ich wollte schon lange Astronautin werden, schon sehr früh als Kind tatsächlich. Mit ungefähr acht, neun Jahren entstand also die erste Faszination fürs Universum. Und dadurch, dass mein Vater ja Teil dieser Raumfahrtgemeinde tatsächlich auch war, bin ich auch in dieser Gemeinschaft groß geworden und habe erst recht festgestellt, wie gerne ich auch Teil dieser Raumfahrtgemeinschaft sein möchte. Ja, wenn man den Papa direkt als Astronauten hat, als Karriereberatung, kann man natürlich auch mal schnell die Frage stellen: Wie wird man denn eigentlich Astronautin? Da war dann relativ zügig klar für mich das ja, das kann niemals der Plan A sein. Man darf niemals das als Ziel haben, als alleiniges Lebensziel, sondern man sollte eine Leidenschaft auf der Erde finden, die man verfolgt. Deswegen bin ich Meteorologin geworden und auch Klimaforscherin oder auch in der Lehre jetzt aktiv bei uns an der Uni. Und es war aber so, dass ich immer im Hinterkopf hatte, wenn mal der richtige Zeitpunkt kommt, dann bewerbe ich mich auf jeden Fall. Und als dann die Initiative kam, also 2008, war ich wie gesagt nicht qualifiziert genug, um mich zu bewerben. Da war ich frisch mit der Uni fertig. Man braucht aber drei Jahre Berufserfahrung, als hartes Kriterium, das hatte ich einfach nicht. Aber als die erste deutsche Frau gesucht wurde, dachte ich: Also bewerben muss ich mich zumindest. Ich war ja diese private Initiative notwendig macht und ich war extrem skeptisch, was diese Betonung auf „erste deutsche Frau“ beinhaltet, sowohl auf „erste“ als auch auf „Deutsch“. Das waren schwierige Punkte, aber ich habe trotzdem gedacht, bewerben kann ich mich mal, dann schaue ich mir die Sache mal an und als sich herausstellte, es ist eine seriöse zweiwöchige Wissenschaftsmission und keine RTL Sat1 Big Sister Variante im All, wo eine Frau Purzelbäume schlägt, um die Quote zu erfüllen. Da habe ich dann auch gedacht: Okay, ich bleibe dabei und hoffe einfach mal, ich schaffe es. Aber das war natürlich auch zu keinem Zeitpunkt gesetzt. Hatten sich über 400 Frauen beworben, von denen ein Lebenslauf imposanter war als der nächste. Meiner lag daneben und ich dachte immer „Oh!“
Vicky: Aber das ist ja oft im Leben so!
Insa: Ja, es ist oft im Leben so, aber die waren wirklich so „Ja, ich war am Wochenende Gleitschirmfliegen und ich war Extremklettern“. Und ich dachte „na ja, ich war Joggen und das war schon eine Leistung, denn ich habe zwei kleine Kinder“. Ich hatte schon zu keinem Zeitpunkt das Gefühl der Auswahl, dass ich definitiv in die nächste Runde komme. Das muss man ganz klar sagen. Aber ich war dann tatsächlich unter den letzten sechs irgendwann und wurde dann ausgewählt und bin sehr dankbar, weil es mir zumindest gezeigt hat, dass ich diesen Auswahlprozess schaffen kann. Es ist der gleiche wie bei der ESA bei der Europäischen Weltraumorganisation. Und kann diese Tests, ich kann es. Und bin qualifiziert genug. Und das ist schon ein sehr großer Schritt tatsächlich gewesen. Und auch trainieren zu dürfen, ist schon ein sehr großer Erfolg. Da bin ich ein bisschen stolz drauf.
Vicky: Das kannst du auch definitiv sein. Das hat ja auch sehr viel Aufmerksamkeit mit sich gebracht. Also zum einen eben auch für die Thematik und einfach mal einer breiten Öffentlichkeit ja auch klar gemacht, dass es eben nicht so einfach ist, Astronaut und vor allen Dingen nicht Astronautin zu werden und wahrscheinlich auch viel Aufmerksamkeit für dich persönlich. Wie hast du das wahrgenommen?
Insa: Im ersten Moment war ich tatsächlich sehr negativ überrascht davon, wie hoch die Aufmerksamkeit war. Das ist auch etwas, das hat uns alle überrascht, als die letzten sechs vorgestellt wurden. Da war ein riesen Ansturm und es war fast so ein bisschen, als ob wir so seltene, bisschen komische Insekten sind, die jetzt gefunden wurden. Und vielleicht auch bisschen ekelig auch irgendwie, nur weil Frauen sowas machen wollen. Es war irgendwie ganz eigenartig. Tatsächlich dachte ich immer als Wissenschaftlerin an der Uni, ich war sogar mal gegen die Quote, gegen die Frauenquote damals noch und dachte so: Nee, das passt alles. Und ich habe ja mein Umfeld und ich werde hier für meine Leistung gesehen. Ich weiß mittlerweile, dass es natürlich auch an den Universitäten nicht so ist. Aber damals dachte ich, ich in meinem kleinen persönlichen Wirkungskreis, lebe gleichberechtigt auch mit meinem Mann in der Partnerschaft, wir sind gleichberechtigt in der Elternschaft, zumindest größtenteils. Und ich war eigentlich ganz zufrieden. Und ich nenne das das dunkle Kapitel, die drei Monate nach meiner Auswahl, weil der Medienrummel so enorm war und ich so knallhart damit konfrontiert wurde, wie dermaßen rückständig wir in vielen Bereichen unserer Gesellschaft sind, besonders was das Thema Frauen angeht „Der Minderheit Frauen“. Das war wirklich absurd. Ja, und das hat mich sehr viel Energie gekostet, auch einfach meinen eigenen Standpunkt klar zu finden und zu sortieren. Und was kann ich tun und wie kann ich dafür sorgen, dass meine Kinder nicht in so einer Welt groß werden? Das waren alles so Themen, die damit aufgerüttelt wurden, die ich vorher ganz bequem negieren konnte, weil es nicht notwendig war, mich damit richtig auseinanderzusetzen. Aber wenn man im allerersten Interview direkt die Frage gestellt bekommt, wie man als Mutter sich erdreisten kann, auf die so weit entfernte Internationale Raumstation zu fliegen, und ob man nicht Angst vor den ganzen Männern hat, vor sexuellen Übergriffen auf der Raumstation, dann muss man sich zwangsweise mit diesen Themen auseinandersetzen. Und ja, mittlerweile ist das halt ein Teil der Rolle.
Vicky: Und du hast es gerade gesagt, man bekommt skurrile Fragen, weil es tatsächlich auch in der Medienlandschaft noch so ungewöhnlich ist und so exotisch wirkt. Ich meine, ähnliches haben wir auch erlebt während der Pandemie, wenn es darum ging, die erste Virologin zu finden und zu befragen. Ich glaube, das kann man fast vergleichen. Und du hast ja jüngst auch ein Training in einer Höhle absolviert und warst zu dem Zeitpunkt tatsächlich auch schwanger. Hat das auch so eine Welle wieder ausgelöst? Das kann ich mir jedenfalls vorstellen, dass das heute wahrscheinlich noch ähnlich ist, oder?
Insa: Da ich ja schon zwei Kinder hatte zum Zeitpunkt meiner Auswahl, war es tatsächlich so, dass das dritte Kind, das war für mich damals noch sehr spannend, weil ich nicht genau wusste, wie geht jetzt auch meine Chefin von der Initiative damit um? Ist sie schwanger und wir haben ja Trainings geplant? Und wie reagiert sie? Ich kann natürlich vorher auch nicht fragen: Wäre es okay, wenn ich im Training noch nicht das Kind kriege? Es geht halt nicht. Das ist halt auch dieses Los von uns Frauen. Also ich konnte mir nicht vorstellen, zu Chefin zu gehen und meine Familienplanung mit ihr zu besprechen. Und meine Chefin hat es mal durch die Blume, abends bei einem Glas Wein, mal lose, vage angesprochen. Da haben wir vage kommuniziert, dachte ich im Subtext. Und ich hatte sie dann auch richtig verstanden, weil sie war die erste und einzige, die sich richtig aufrichtig über die Schwangerschaft gefreut hat. Der ganze Rest hat als erstes, außerhalb mein Mann und mir natürlich, der Rest hat sofort reagiert mit: Gott, dann musst du jetzt aus dem Training raus und es geht alles nicht mehr. Sie hat sich wirklich einfach nur gefreut, weil ihr tatsächlich auch oft vorgehalten wurde, dass sie uns durch ihre Initiative und das ist so absurd und perfide fast schon, dass es mir kalt den Rücken runterläuft. Aber ihr wurde immer vorgeworfen, dass sie uns davon abhält, in der Familienplanung weiter zu denken. Dass sie mit ihrer Initiative, mit dieser Chance, die sie uns bietet, unsere Karriere in unserem Wirtschaftssektor verhindert. Weil wir uns natürlich nicht selbstständig entscheiden können...
Vicky: Die Absurdität kennt da keine Grenzen.
Insa: Ja, und das waren alles so Dinge. Und da war sie tatsächlich sehr erleichtert, dass ich halt einfach mal Nägel mit Köpfen gemacht habe und dann einfach gesagt habe: Ich bin schwanger, Kind Nummer drei ist jetzt auf dem Weg. Und Kind Nummer vier, da hat exakt niemand mehr mit der Wimper gezuckt. Das war vollkommen so: Ach ja, ist sie schon wieder schwanger? Es lagen zwar drei Jahre dazwischen. Ja, das war so eher die Reaktion. Das hat dann keinen mehr großartig interessiert. Also ich bekomme Zuschriften von Frauen, gerade von Studentinnen und jungen Frauen auch, die sagen: Ach wie toll, dass es klappt als Wissenschaftlerin und auch Mutter zu sein. Das würden sie so in ihrem Umfeld nicht sehen. Und das erschüttert mich auch jedes mal ein bisschen, aber war bei mir auch nicht anders. Deswegen bin ich auch ein bisschen dankbar, dankbar dafür, dass ich diese Mutterrolle auch mit thematisieren kann in meinem Umfeld, das würde ich sonst vielleicht auch in der Öffentlichkeit gar nicht tun. Aber ich mach's halt einfach, damit auch Leute einfach merken, es sind nicht nur Frauen, sondern auch Mütter, die auch ins All fliegen wollen und können. Das ist denke ich, eine ganz wichtige Botschaft für auch Männer und Jungs, nicht nur Mädchen und Frauen.
Vicky: Ja, unbedingt. Und du bist natürlich damit auch ein Role Model. Und es ist ja immer wichtig, dass man als junge Frau auch Vorbilder hat, die zeigen, was möglich ist und was geht und was man eben erreichen kann und in dem Fall vielleicht auch eben miteinander kombinieren kann, wenn man das möchte. Eben eine berufliche Mission mit der Mutterschaft. Und was würdest du denn jetzt so aus deiner jetzigen Perspektive und auch aus deiner Erfahrung aus den letzten Jahren, jungen Frauen und Mädchen mitgeben, die den Beruf der Astronautin anstreben? Wie sollte man das angehen? Oder wie sollte ein junges Mädchen das angehen?
Insa: Ich da würde ich gerne einmal vorher noch einhaken. Das ist mir ganz wichtig: Ich bin kein Vorbild für Mädchen und Frauen. Also ich hoffe, dass ich ein Vorbild für Kinder und Menschen bin, weil gleichzeitig dadurch, dass ich als Mutter ins All fliege, ja auch Jungen sehen, dass Mütter ins All fliegen können. Und das halte ich persönlich für fast noch wichtiger, weil es bringt einem Mädchen wenig, wenn sie Jahre später auf einen Partner trifft, und wir kennen es alle, man denkt, man macht es später gleichberechtigt, aber rutscht in diese Falle, dass man dann doch erst mal zu Hause bleibt, weil man halt stillt. Das ist dann halt so und dann bleibt man erst mal beim Baby und dann verdient der Mann vielleicht doch auch noch ein bisschen mehr und dann ist man zack und drin in der Teilzeitfalle, in der man gar nicht stecken wollte, weil man das vorher nicht absehen kann.
Das war auch bei meinem Mann und mir nicht so, wir haben nicht mit 25 dagesessen und gesagt: Ach ja, sollten wir mal drei Kinder haben und du bist Astronautin, dann gehe ich in Elternzeit ein Jahr. Das haben wir nicht gemacht, das macht niemand vorher. Man kann das schon vorfühlen, aber man weiß erst in dem Moment, in dem man auch wirklich ein Baby hat, wie es ist als Mutter zu arbeiten, oder als Eltern zu arbeiten. Und man lernt sich da ja auch als Paar noch mal ganz neu kennen. Und das ist was, wo ich immer betone extra, ich habe mir das zur Aufgabe gemacht seit ein paar Monaten, dass ich wirklich immer betone: Ich mache das nicht für Mädchen und Frauen. Natürlich bin ich als Frau vielleicht erst mal für die, erst mal ein naheliegendes Vorbild. Das wäre auch schön. Aber hauptsächlich hoffe ich auch, dass gerade auch Jungs und Männer auch inspiriert und animiert werden, vielleicht auch was gegen das Patriarchat zu tun. Dadurch, dass sie eben sehen, wie wir uns hier abkämpfen, um überhaupt mal die erste deutsche Frau ins All zu kriegen.
Und vielleicht aber trotzdem wenn mich ein Mädchen fragen würde, dann würde ich halt deshalb in diesem Fall auch tatsächlich generisch antworten für ein für Kinder und nicht speziell für Mädchen. Ich würde tatsächlich sagen: Finde das, was dich hier auf der Erde neugierig macht, bleibe dabei. Geh in die Richtung, wo der Bauch kitzelt, wo der Bauch sagt: Das macht mir Spaß. Da will ich mehr darüber wissen. Weil man einfach, egal in welchem Beruf, aber man braucht einen sehr langen Atem. Und gerade wenn man dann auch noch Kinder haben möchte. Und ich bleibe jetzt einfach mal bei diesem Mutter-Thema, weil das mein erster Berufswunsch war. Mutter. Das stand immer in allen Poesiealben…
Vicky: Das ist ja nett.
Insa: Ja, Mutter. Und das war für mich immer klar. Es ist ja auch nicht für alle, aber für mich war das auf jeden Fall klar und ich wollte das. Und in Deutschland war und ist es manchmal sehr schwierig zu sehen, wie kann das denn funktionieren? Und deshalb ist es umso wichtiger, dass man einen Beruf hat, der einen auch mit Bauchkitzeln auch noch zurückholt. Ich habe gerade ein vier Monate altes Baby. Es ist heute genau zehn Tage Monate alt und ich habe, glaube ich, drei Stunden geschlafen. Und das funktioniert halt nicht, wenn einem der Job keinen Spaß macht, dann macht man das zwei Wochen und dann hört man auf. Also die Neugierde finden und das Bauch kitzeln, dem folgen. Und natürlich auch ein Netzwerk bauen von Leuten, die das mit einem teilen und man nicht alleine das Ganze machen muss und ein Netzwerk hat. Das sind, glaube ich, die zwei wichtigsten Botschaften, die ich geben würde. Und gerade Mädchen und Frauen hilft besonders vielleicht auch der Netzwerkaspekt sehr weiter, dass man sich da sehr gut vernetzt in seiner Welt, wie auch immer geartet. Ob man jetzt speziell in Frauennetzwerke geht, wo es speziell Fördermöglichkeiten gibt, ist sehr wichtig und gut. Aber eben auch, dass man sich anderen Mentoren und Mentorinnen sucht, die auch außerhalb dieser Frauennetzwerke auch helfen können.
Vicky: Ja, das ist ein wirklich guter und wichtiger Tipp. Vielen Dank dafür. Und wenn wir jetzt noch mal zum Abschluss kurz auf die anstehende Raummission kommen, es soll ja zur ISS für ein paar Tage gehen. Und ist denn schon absehbar zeitlich, wann das wohl stattfinden wird? Habt ihr da schon ein bisschen eine konkretere Idee?
Insa: Also man plant immer ein konkretes Datum, wohlwissend, dass – also in der Raumfahrt, werden alle Daten, manchmal steht, das sogar dabei, mit einem Net oder einem Sternchen versehen, das bedeutet „Not earlier than“, das bedeutet, dass das optimistischste Datum, was sich ergeben kann, und das ist bei uns Herbst 2023 aktuell. Man macht das, damit man ein Ziel hat, worauf man hinarbeiten kann. Aber in der Raumfahrtwelt verschiebt man es auch gnadenlos immer wieder nach hinten.
Vicky: Ja, da braucht man starke Nerven und viel Geduld.
Insa: Ja genau. Wir waren zum Beispiel bei Boeing, wo sie den Starliner, das ist aktuell ein kommerzielles Raumfahrtunternehmen oder Boeing möchte auch mit in den kommerziellen Raumfahrtmarkt und genauso wie SpaceX, die es geschafft haben, erfolgreich wieder von amerikanischem Boden aus zu starten, nach jahrelanger Pause. Also es war ja lange nur möglich über Russland mit der Sojus zur Raumstation zu fliegen und jetzt geht es auch wieder aus den USA. Und Boeing probiert es auch mit dem Starliner. Und die hatten als wir vor Ort waren, im Mai, da hatten sie eine Uhr laufen mit Countdown to Launch und der Launch, das war noch im August gesetzt, und es war vollkommen klar, das war 2018, sie sind bis heute nicht gelauncht. Aber man macht das einfach. Man setzt sich ein Datum und dann macht man halt die Uhr noch mal neu, wenn sie abgelaufen ist. Und wie gesagt, Herbst ’23. Aber mein Vater wurde ‘88 ausgewählt und ist 2000 geflogen. Maurer ist der aktuelle Astronaut auf der Raumstation und der ist 2008 ausgewählt worden, und ist 2021 im Herbst das erste Mal geflogen. Also man braucht einen langen Atem.
Vicky: Im Zweifel dauert es dann noch das eine oder andere Jahr. Umso schöner wird es sein, deine weitere Reise bis dahin zu begleiten. Ich danke dir sehr herzlich für die sehr persönlichen Eindrücke und dass du uns ebenso auch aufgeschlaut hast zu dem Thema und wünsche vor allen Dingen, dass dein Engagement bald Früchte trägt und dein Thema Elternschaft entsprechend durchdringt. Das ist natürlich ein sehr schöner und sehr wichtiger Wunsch, aber eben auch die Raummission in greifbare Nähe rückt. Herzlichen Dank für diesen schönen Einblick und dieses angenehme Gespräch, liebe Insa und ganz viel Erfolg auf deinem weiteren Weg.
Insa: Dankeschön!
Vicky: Ich hoffe, euch hat diese Folge von Driving Change, dem Diversity Podcast gefallen. Neue Folgen gibt es immer donnerstags und damit ihr keine Folge verpasst, abonniert uns gerne auf allen gängigen Podcast Plattformem und folgt uns auf LinkedIn, Instagram und Twitter. Falls ihr Ideen habt, welche Gäst:innen ich einmal in unseren Podcast einladen soll, macht doch gerne einen Vorschlag. Ich freue mich darauf und immer über euer Feedback! Bis zum nächsten Mal, eure Vicky.