Driving Change - Der Diversity Podcast

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Der Diversity, Equity & Inclusion Podcast von BeyondGenderAgenda

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DRIVING CHANGE

Der Diversity Podcast von BeyondGenderAgenda

Gemeinsam mit ihren Gäst: innen setzt CEO und Gründerin Victoria Wagner die Themen Diversity, Equity und Inclusion (DE&I) auf die Agenda der deutschen Wirtschaft. DE&I bezogene Fragen und aktuelle Ereignisse werden erörtert und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Durch das Teilen persönlicher Erfahrungen und konkreter Lösungsansätze wird ein Beitrag zu einer diverseren und inklusiveren Wirtschaft geleistet.

Gemeinsam mit ihren Gäst: 30.06.2022 EPISODE MIT MARIA MÖLLER – Mitgründerin von Talking Hands

Maria: Das wichtige, gerade für das Thema Inklusion ist ja, dass alle Kinder miteinander kommunizieren können. Und das funktioniert ja nur, wenn alle Kinder, auch die Kinder ohne Behinderung, Gebärden können.

Vicky: Hallo und herzlich willkommen zu Driving Change, dem Diversity Podcast. Ich bin Vicky Wagner, Gründerin und CEO von BeyondGenderAgenda und spreche mit meinen Gäst:innen darüber, was wir gemeinsam tun können, um die Themen Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion auf die Agenda der deutschen Wirtschaft zu setzen. Meine heutige Gesprächspartnerin ist Maria. Sie ist Gründerin von Talking Hands. Sie erstellt Daumenkinos, mit denen Kinder spielerisch und interaktiv Gebärden lernen. Ihre Mission ist es, die Kommunikation zwischen allen Kindern zu fördern und Sprachbarrieren spielerisch zu überwinden. Schön, dass du da bist, hallo.

Maria: Danke für die Einladung.

Vicky: Sehr, sehr gerne! Magst du dich mal mit deinen eigenen Worten vorstellen und uns vor allen Dingen ein bisschen Einblick geben, wer du bist. Und heute fehlt ja auch ein zweiter Teil von dir, wenn man das so sagen darf. Vielleicht erzählst du uns mal was dazu.

Maria: Ja, sehr gerne. Ich bin Maria. Ich bin 27 Jahre alt und habe zusammen mit Laura, meiner Mitgründerin, Kommunikationsdesign studiert. Also wir kennen uns auch aus dem Studium und im Studium ist auch Talking Hands entstanden. Das war nämlich damals Lauras Abschlussarbeit. Da war gar nicht so sehr eine Gründung in Aussicht oder quasi der Gedanke, dass das mal ein Unternehmen werden sollte, sondern es war erst mal ein Uniprojekt, was ausprobiert wurde und super geklappt hat. Ja und so haben Laura und ich uns dann nach tollem Feedback von Kitas dazu entschlossen, ein Unternehmen zu gründen und haben das auch gemacht im Jahr 2020. Also sind wir eine absolute Corona-Gründung. Wir machen einfach so ein bisschen learning by doing würde ich sagen, weil wir auch beide keine BWLer sind, wie sonst die klassischen Gründer und Gründerinnen immer. Aber bis jetzt funktioniert alles einigermaßen gut, würde ich sagen.

Vicky: Na, das hört sich doch gut an, aber das wollen wir natürlich ein bisschen besser verstehen. Woher kam denn die Idee zu Talking Hands? Und warum wart ihr der Meinung, dass das ein wichtiges Thema ist?

Maria: Die Schwester von Laura Jami heißt sie. Die hat Down-Syndrom und Kinder mit Down-Syndrom lernen viel später sprechen als andere Kinder. Und deswegen ist die Kommunikation zwischen Eltern, zwischen Geschwistern, aber dann auch in der Kita erstmal sehr schwierig, weil man sich eben nicht verbal verständigen und deswegen sind da Gebärden so wichtig. Aber das Lernmaterial, was es so gibt oder gab damals, es ist halt alles so sehr medizinisch, klinisch und regt jetzt nicht unbedingt dazu an, dass man freiwillig Gebärden lernt und das wichtige gerade für das Thema Inklusion ist, dass alle Kinder miteinander kommunizieren können. Und es funktioniert ja nur, wenn alle Kinder, auch die Kinder ohne Behinderung, Gebärden können. Und da war der Gedanke dahinter: „Wie schafft man ein Medium, das allen Kindern Spaß macht und allen Kindern spielerisch Gebärden beibringt?“. Und so ist dann das Daumenkino für Gebärden entstanden.

Vicky: Du hast jetzt gerade gesagt was das Medium ist, beschreibt doch mal so ein bisschen, weil wir es jetzt nicht sehen können, wenn du es vorführen würdest, beschreibt doch mal so ein bisschen, wie das funktioniert. Also bekommen dann alle Kinder dieses Daumenkino. Und was zeigt dieses Daumenkino?

Maria: Also es ist nicht nur ein Daumenkino, sondern es sind momentan so um die 120 Daumenkinos, die den Grundwortschatz für Kinder abbilden. Es gibt dann ein Daumenkino für Mama, eins für Papa, Toilette, Essen, Trinken, Spielen, alles, was Kinder so in ihrem Alltag brauchen, an Begriffen. Und das Tolle am Daumenkino ist ja, dass man so oft man will mit dem eigenen Daumen eine Bewegung zeigen kann. Und um eine Gebärde richtig zu verstehen und zu verinnerlichen, muss man ja auch die Bewegung sehen. Und es war ja immer so ein bisschen das Problem bei anderen Lehrmaterialien, dass die eben mit Strichmännchen und Pfeilen arbeiten. So ein bisschen auch, wie wenn man im Flugzeug sitzt und sich da den Rettungsplan anschaut. So sieht halt auch das alte Gebärden-Lehrmaterial aus und man versteht es dann auch nicht immer und weiß es nicht: „Soll die Hand jetzt nach oben oder unten oder links oder rechts?“, „Welcher Finger bewegt sich?“ Es war nicht so ersichtlich aus Material, was nur mit Pfeilen arbeitet und deswegen ist das Daumenkino absolut perfekt, um Gebärden zu zeigen. Der Hauptfaktor ist wirklich das Daumenkinos schon immer Kinder fasziniert haben. Also ich weiß auch noch selber, wenn man so als Kind im Filmmuseum war und dann beigebracht kriegt, wie so ein Film funktioniert mit den ganzen verschiedenen Bildern, die schnell hintereinander abgespult werden. Das ist ja erstmal irgendwie Magie und die Magie zeigen wir dann im Daumenkino. Und deswegen funktioniert das Lernen so gut, weil es eben Spaß macht.

Vicky: Cool. Und wie wurde das von den Kindern angenommen? Also ich denke es waren wahrscheinlich erst mal das Umfeld von Jami, was sozusagen die ersten Testpersonen war. Wie war das? Wie wurde das angenommen? Wie hat das funktioniert?

Maria: Also um erstmal auszuprobieren, ob Kinder das Medium Daumenkino so toll finden wie wir, haben wir das ausprobiert in der integrativen Kita hier bei uns in Frankfurt und haben einer Kitagruppe einfach mal ein Set mit den 100 Daumenkinos hingestellt und geschaut was passiert. Und man konnte gar nicht erst so richtig erklären, was das ganze hier soll, weil die Kinder sich schon auf das Set gestürzt haben und dann angefangen haben damit zu spielen. Irgendwann hatten sie dann raus: „Oh, wenn ich das blätter‘, dann bewegt sich was“ und haben sich gegenseitig gezeigt und waren dann Feuer und Flamme und haben sofort angefangen die dargestellten Bewegungen auch selber nachzumachen. Und hinten auf den Daumenkinos ist auch immer das Symbol für den jeweiligen Begriff, denn die meisten Kinder können ja noch nicht lesen. Und ja, die haben dann total schnell begriffen, dass jetzt diese Gebärde diesen Begriff darstellt. Und es war so toll anzusehen. Und diese Kita hatte das dann auch ein Jahr lang in Benutzung, dieses Set und haben das dann immer auf Fortbildungen mitgenommen und anderen Kitas davon erzählt. Und irgendwann kam so eine ganze Liste von Anfragen bei Laura an, wo dann klar war: Also da ist eindeutig Interesse in Kitas für unsere, für diese Daumenkinos. Und dann hat Laura mich damals gefragt: „Ja Maria, wollen wir das jetzt einfach mal probieren und schauen, wie wir die in die deutschen Kitas kriegen.“ Und ich kannte dieses Projekt natürlich auch aus der Uni, wir waren dann die ganze Zeit im Austausch, weil wir auch befreundet sind und ich war sofort auch Feuer und Flamme. Ja und dann haben wir gegründet.

Vicky: Wollte ich sagen. Also war im Prinzip eigentlich die Nachfrage, die so ganz natürlich da war, der Auslöser, warum ihr dann gesagt habt, kommt, da müssen wir jetzt tatsächlich gründen und da müssen wir irgendwie auch ein Geschäftsmodell draus machen.

Maria: Ja, ja, genau.

Vicky: Super. Und dann ging es ja einen Schritt weiter. Ein sehr öffentlichkeitswirksamer Schritt. Ihr wart eine Höhle der Löwen. Wie war denn das so für euch?

Maria: Das war natürlich auch sehr aufregend. Ich glaube, die Woche davor haben wir sehr, sehr wenig geschlafen. Die Einzige, die da sehr cool mit war, war Jami.

Vicky: Das ist ja süß.

Maria: Aber wir waren gar nicht so sicher, ob das generell das richtige Medium für uns ist, also da aufzutreten und haben ein bisschen hin und her überlegt und uns dann doch entschieden, dass es allein schon wichtig ist, um mal das Thema Inklusion und Gebärden für Kinder im Kitaalltag, um das mal groß ins Fernsehen zu bringen. Das war uns schon wichtig genug, um dann zu sagen: „Okay, wir gehen den Schritt und möchten dort auftreten“. Und dann ist es natürlich auch irgendwie ein bisschen skurril, wenn man noch nie im Fernsehen war, alles ein bisschen befremdlich und dann sieht es live alles ganz anders aus als im Fernsehen und wirkt irgendwie ganz anders. Aber sobald man dann angefangen hat zu sprechen und von seinem Produkt zu erzählen. Und irgendwann hat man auch vergessen, dass da Kameras waren und also den Löwen und Löwinnen, die waren total lieb. Also es hat Spaß gemacht, letztendlich mit denen ins Gespräch zu kommen. Man ist da ja auch viel länger als gezeigt wird im Fernsehen. Ich glaube, wir waren da bestimmt ‘ne Stunde oder anderthalb. So genau kann ich die Zeit auch nicht mehr einschätzen. Aber es war irgendwie dann doch ein tolles Erlebnis. Und ja, hat auch für eine Menge Aufmerksamkeit gesorgt.

Vicky: Aufmerksamkeit und die habt ja auch einen ziemlich außergewöhnlichen Deal bekommen. Wie sah denn der aus?

Maria: Ja, also jeder Löwe hat in Höhe von 10.000 € bei uns eingekauft und die eingekauften Daumenkinosets dann an Kitas gespendet. Und es war wirklich super toll. Und durch dieses große Einkaufsvolumen konnten wir dann auch unsere Auflage, die dann anstand, mit viel weniger Kopfschmerzen in Auftrag geben, weil wir eben auch. Ja, also für ein junges Startup ist Geld natürlich auch nicht ganz so unwichtig und es war dann wirklich toll.

Vicky: Und ihr hattet natürlich die Aufmerksamkeit, wie du gesagt hast. Sowas hat ja auch immer einen PR-Effekt. Ja, man setzt sich überhaupt mal mit dem Thema auseinander. Also das Ziel habt ihr ja in jedem Fall auch erreicht. Und wie ist es denn heute? Ist es so, dass nach wie vor nur Kitas eure Daumenkinos erwerben können oder wie sieht das heute aus?

Maria: Also es sind auch tatsächlich sehr viele Privatpersonen, die mittlerweile die Daumenkinos sich anschaffen. Wir bieten nämlich auch ein paar einzelne Daumenkinos an und dann kam ganz oft „Ich liebe dich, Maus, dein Mann“, so ganz witzige Gebärdenzusammenstellungen. Wo wir schon dachten „Oh jetzt werden hier ganze Liebesbriefe mit unseren Daumenkinos verfasst, was ja auch total süß ist. Und dann gibt es teilweise auch Bestellung von 40-mal, die „Viel Glück“-Gebärde, wo dann auch klar ist, das wird vielleicht als Grußkarte verschenkt. Also das ist jetzt auch total schön zu sehen, dass Leute anfangen, sich einfach so auch für das Thema zu interessieren. Und ich meine, wenn jeder von uns zumindest mal die Gebärde für „Danke“ und „Entschuldigung“ oder „Wie geht's dir?“, kann ist ja auch schon mal irgendwas getan. So kommen die Sachen ja in Schwung und man setzt sich mal damit auseinander, dass ja manche Menschen einfach nicht verbal kommunizieren können, so wie wir. Ja, das sind so kleine Schritte, die schon mal sehr gut sind, um Sachen zu verändern.

Vicky: In jedem Fall und nach diesen positiven und auch sehr emotionalen Erfahrungen was habt ihr denn jetzt mit Talking Heads noch vor? Wo soll denn die Reise so hingehen?

Maria: Also ein großes Ziel ist, dass wir mehr Produkte als jetzt die Daumenkinos für Gebärden anbieten. Also wir sehen uns generell eher als Inklusionsunternehmen und wollen weitere Lehr- und Spielmaterialen entwickeln, die Inklusion fördern. Und das machen wir auch. Also da sind wir schon dran, auch gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften, die uns da unterstützen. Wir wollen auch anfangen zu zeigen, dass man Lehr- und Spielmaterial entwickeln kann, so dass es für alle Kinder benutzbar ist. Also bis jetzt gibt es ja immer noch diese Trennung. Also das ist jetzt ein Buch für ein Kind mit Down-Syndrom und das ist ein Buch für alle anderen Kinder. Und man muss aufhören, da immer diese Unterscheidung zu machen, oder das ist jetzt ein Spiel ausschließlich für Kinder mit Behinderungen. Dann fragt man sich warum? Also warum kann man es nicht so konzipieren, dass es einfach allen Kindern Spaß macht und jeder stolz ist, jetzt mit so einem Spielzeug zu spielen, weil es schön aussieht und Spaß macht. Das ist so unsere Mentalität dahinter und ja, und generell der große Traum ist natürlich, dass man nicht nur in Deutschland aktiv ist, sondern Talking Hands irgendwann überall auf der Welt Inklusion für Kinder unterstützen kann.

Vicky: Ja, absolut unterstützenswertes Ziel. Was mich eigentlich auch schon zur nächsten Frage bringt, nämlich: Macht ihr das immer noch alleine? Oder habt ihr Investoren inzwischen oder ja, wie kann man so was stemmen?

Maria: Also wir waren ja von Anfang an quasi fest davon überzeugt, dass das funktionieren wird und das ist potenziell erfolgreich werden kann und hatten deswegen komplett unsere Sparkonten geleert und unsere Eltern auch gefragt, ob sie unsere Miete bezahlen können für den Anfang. Aber wir haben jetzt mittlerweile auch tolle Investoren gefunden. Es ist gerade alles noch im Eintragungsprozess. Das wird jetzt auch demnächst veröffentlicht. Aber dabei war uns ganz wichtig, dass wir Leute mit an Bord nehmen, denen das Thema genauso wichtig ist wie uns und die tatsächlich was damit bewegen wollen. Wir wollten jetzt niemanden, der jetzt nur auf die Zahlen schaut und guckt „Okay wie schaffen wir den maximalen Gewinn?“, sondern es geht bei uns um den maximalen Impact. Und da haben wir wirklich eine Truppe von Leuten gefunden, die uns auch von Anfang an als Mentoren begleitet haben und jetzt als Investoren mit uns die nächsten Schritte gehen werden. Und da sind wir absolut glücklich drüber, dass es so funktioniert hat. Da wissen wir auch, dass es ein purer Luxus ist, dass wir so tolle Menschen da gefunden haben, die da absolut d’accord sind mit unserer Mission und allem, was wir vorhaben.

Vicky: Toll, hört sich super an, freut mich sehr für euch und wir sind natürlich ganz gespannt, wo eure Reise und wichtige Reise da weitergeht und wie ihr die Welt erobert mit Talking Hands und bleiben da am Ball. Für den Moment bedanke ich mich für das Gespräch. Hat mir viel Spaß gemacht, Maria und ich würde mich freuen, wenn wir uns mal wieder hören.

Maria: Ja auf jeden Fall. Danke dir!

Vicky: Ich hoffe, euch hat diese Folge von Driving Change, dem Diversity Podcast gefallen. Neue Folgen gibt es immer donnerstags und damit ihr keine Folge verpasst, abonniert uns gerne auf allen gängigen Podcast Plattformen und folgt uns auf LinkedIn, Instagram und Twitter. Falls ihr Ideen habt, welche Gäst:innen ich einmal in unseren Podcast einladen soll, macht doch gerne einen Vorschlag. Ich freue mich darauf und immer über euer Feedback! Bis zum nächsten Mal, eure Vicky.

Über diesen Podcast

"Driving Change" ist der Diversity-Podcast von BeyondGenderAgenda, dem bedeutendsten Netzwerk für DE&I in der deutschen Wirtschaft.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Diversität unser Leben, die Wirtschaft und unsere Zukunft beeinflusst. Welche Rolle spielen dabei Chancengerechtigkeit und Inklusion und welche aktuellen Ereignisse verändern unsere Welt.
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